05 Mai Die Stadt, das Wasser – ja wir müssen uns ernsthaft Sorgen machen
Starkregenereignisse, Murenabgänge, geflutete U‑Bahnschächte, Missernten in 2017 sind noch in Erinnerung.
Im Jahr 2018 folgte dann ein herrlicher Sommer – der Klimawandel hatte, zumindest jetzt, auch eine gute Seite, mag mancher gedacht haben. Aber der verharmlosende Begriff „Klimawandel“ ist eigentlich nichts anderes als „Erdfieber“, denn eine um nur 2 °C höhere und zugleich länger anhaltende Körpertemperatur bedeutet hohes Fieber, welches ärztlich zu behandeln ist. Viele, insbesondere ältere Menschen, haben in Deutschland unter den erhöhten Temperaturen gesundheitlich gelitten. Für die Land- und Forstwirtschaft, die Schifffahrt und für die Natur und sogar für Teile der Industrie war der letzte Sommer existenzbedrohend.
Dass diese außergewöhnliche Trockenheit wohl kein Einzelereignis bleiben wird und dass wir künftig häufiger, wenn nicht gar in regelmäßigen Abständen, mit Dürre in Deutschland rechnen müssen, prophezeite kürzlich der Deutschen Wetterdienstes (DWD).
Dem städtischen Raum fehlt die kühlende Funktion der Wasserverdunstung – aber schon jetzt benötigt jede Stadt deutlich mehr Trinkwasser als sich auf natürlichem Wege im Stadtgebiet neu bilden kann. Man bedient sich deshalb mehr oder weniger ungeniert aus dem Umland. Dieses Wasser fehlt der dortigen Landwirtschaft, die wiederum für die Lebensmittelversorgung der Stadt unentbehrlich ist.
Der vermehrte Bau von Regenwasserzisternen beispielsweise hilft sowohl bei Starkregenereignissen als auch bei Trockenheit – bei normgerechten Bau – über eine regenfreie Zeit von ca. 3 – 5 Wochen hinweg.
Wasser wird nicht verbraucht, es wird lediglich gebraucht. Wasser- Nährstoff- und Energierecycling auf hohem Niveau, verbunden mit einer kaskadenhaften Mehrfachnutzung, löst diverse Versorgungs- und Umweltprobleme.
Es gibt zum Glück keinen Mangel an guten Forschungsergebnissen – es besteht aber ein riesiges Defizit an deren Umsetzung. Beispielsweise wurde schon vor 20 Jahren in einem konkreten Bauvorhaben ein innovativer Umgang mit Niederschlagswasser aus dem Siedlungs- und Straßenbereich erfolgreich erprobt. Der belastete Anteil des Straßenablaufs gelangt zusammen mit dem Dachablaufwasser in eine Zisterne und nur das weitgehend unbelastete Niederschlagswasser in das Oberflächengewässer, wodurch die Gewässerqualität verbessert wird. Der belastete erste Spülstoß aus der Straßenentwässerung wird mit einfachen Mitteln zu einem hochwertigen Betriebswasser aufbereitet. Es ist hygienisch einwandfrei und darüber hinaus sogar für diverse Anwendungen gegenüber dem örtlichen Trinkwasser zu bevorzugen. Obwohl sich dieses Pilotprojekt seit 20 Jahren in der Praxis bewährt hat, ist es in Berlin bisher nicht weiter zur Anwendung gekommen. Statt dessen werden teure Stauraumkanäle etc. gebaut.
Ähnlich ergeht es u. a. dem Berliner ROOF WATER-Farm Projekt. In einem mehrgeschossigen Wohnhaus in der Innenstadt wird das Grauwasser aus Badewannen, Duschen und Waschmaschinen zusammen mit dem Küchenabwasser zu einem Betriebswasser aufbereitet, das in fast allen Parametern die Anforderungen der Trinkwasserverordnung erfüllt. Seit 2006 wird es von 250 Personen zur Toilettenspülung verwendet. Ab 2014 wurde selbst aus dem Toilettenabwasser über 2 Jahre hinweg ein hochwertiger, hygienisch einwandfreier Flüssigdünger – sogenanntes „Goldwasser“ erzeugt.
Betriebs- und Goldwasser wurden für die Lebensmittelproduktion in Hydroponik und Aquaponik verwendet. Die damit erzeugten Lebensmittel waren höchst wohlschmeckend und erfüllten alle gesetzlichen Qualitätsanforderungen. Die ortsnahe Schließung des Wasserkreislaufs mit integrierter Farmwirtschaft produziert ohne zusätzlichen Wasserbedarf und ohne Einsatz von Chemikalien mit niedrigem Energieaufwand durch kurze Transportwege frische und gesunde Lebensmittel für die städtischen Verbraucher. Das recycelte Wasser, welches bei der Lebensmittelproduktion verdunstet, kühlt zugleich die nachbarschaftliche Umgebung und es wäre sogar noch Betriebswasser übrig, um Gründächer und Bäume vor dem Vertrocknen zu schützen.
„Eine neue wissenschaftliche Wahrheit setzt sich nie in der Weise durch, dass ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären. Vielmehr wird die heranwachsende Generation von vornherein mit den neuen Einsichten vertraut gemacht und die Gegner sterben allmählich aus.“
Max Planck (1948)
Die Besuchergruppen, Schüler und Studenten, die sich bei der ROOF-WATER-Farm die Türklinke in die Hand geben, sind begeistert. Politik, Verwaltung und Baukonzerne, die geeignete Dachflächen für Dachgewächshäuser zur Verfügung stellen könnten, kommen selten. Forschungsergebnisse – selbst die Praxisergebnisse aus dem Reallaboren scheinen sie wenig zu beeindrucken.
Die heranwachsende Generation kann und will nicht so lange warten, bis die alte von selbst Platz macht. Greta Thunberg wirft älteren Generationen Versagen vor:
„Wenn wir sagen, dass wir Angst vor der Zukunft unserer Zivilisation haben, dann tätscheln sie uns den Kopf und sagen: Alles wird gut, macht euch keine Sorgen‘. Aber wir müssen uns sorgen, wir müssen in Panik verfallen.“
Thunberg am 29.03.2019 in Berlin
Wem also nützt Umweltforschung – außer der Forschung selbst, wenn positive Ergebnisse nicht umgesetzt werden? Sind nicht die Hauptprofiteure Politik, Verwaltung, sowie Bau- und Wasserkonzerne, wenn sie den Bürgern allein durch Forschungsaufträge und nicht durch Handeln legitimiert glaubend machen wollen, dass sie sich um die Probleme kümmern, dass alles gut wird und wir uns keine Sorgen machen sollen?
Nachzulesen in Regenwasser-Management 2019
Dezentrale Regenwassermaßnahmen für Gebäude, Grundstücke und Verkehrsflächen
Enst & Sohn Special
April 2019